Wir haben die Lebensläufe der derzeitigen Regierungsmitglieder analysiert – mit verheerendem Ergebnis, wie wir finden. Kaum eines würde im normalen Leben mit seinem Lebenslauf bei einem Arbeitgeber überhaupt zum Vorstellungsgespräch geladen.
von Thomas Maetzel
Es gibt nicht einen einzigen „Quereinsteiger“ aus dem Leben jenseits des Politikbetriebs unter den neun Männern und acht Frauen im Kabinett. Der Weg in ein Kabinettsamt ist in allen Fällen sehr ähnlich: Im Schnitt geht man sehr früh mit 22 in die jeweilige Partei – Christian Lindner (FDP), Hubertus Heil (SPD) und Cem Özdemir (Die Grünen) bereits im Alter von 16 Jahren –, um dann schon mit durchschnittlich 32 Jahren als Landtags- oder Bundestagsabgeordneter oder mit einem hohen Parteiamt endgültig Berufspolitiker oder sogar Regierungsmitglied zu werden: Am jüngsten war Finanzminister Christian Lindner (mit 21 Jahren), gefolgt von Umweltministerin Steffi Lemke (mit 25 Jahren), am ältesten die Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die mit 46 Jahren Berufspolitikerin wurde.
Von den neun Männern im Kabinett hat nur Finanzminister Christian Lindner Wehrdienst geleistet, drei Männer – Kanzler Olaf Scholz, Justizminister Marco Buschmann und Arbeitsminister Hubertus Heil – haben den in der Regel heimatnahen Zivildienst anstelle des fernen und harten Kasernenlebens gewählt und fünf Minister gar nicht erst Dienst am Staate geleistet (Wirtschaftsminister Habeck, Landwirtschaftsminister Özdemir, Gesundheitsminister Lauterbach, Verkehrsminister Wissing und Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt). Damit liegt der Anteil derjenigen, die eine Zeit ihres Lebens dem Staat geopfert haben, im Kabinett weit unter den Werten im gemeinen Volke. Man kann ja auch später noch und dann gut bezahlt dem Staate dienen.
Der typische heutige Minister oder die Ministerin haben sich bei der Studienwahl zu einem überdurchschnittlichen Anteil für die Juristerei entschieden, so Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Justizminister Marco Buschmann, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, Verkehrsminister Volker Wissing und der Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt. Wenn nicht, so sind die gewählten Fächer überwiegend geisteswissenschaftlich und nicht diejenigen, die als anstrengend gelten, wie Ingenieurwesen, Naturwissenschaft oder Betriebswirtschaft.
Trotzdem benötigen unsere Kabinettsmitglieder im Durchschnitt acht Jahre für ihre meist akademische Ausbildung statt der normalen Regelstudienzeit von fünf Jahren und damit weit mehr Zeit, für die der einfache Bürger noch sein Bafög bekommt. Dynamik sieht anders aus.
Hat man dann seine Ausbildung abgeschlossen, ist man als Minister im Schnitt gerade mal noch fünf Jahre in irgendeiner Form berufstätig. An der Spitze steht Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die 17 Jahre Berufserfahrung aufweisen kann, gefolgt von Kanzler Scholz, der 13 Jahre als Rechtsanwalt tätig war. Ganz ohne Berufspraxis bleiben Bauministerin Klara Geywitz und Arbeitsminister Hubertus Heil, und gerade mal zwei Jahre im Beruf standen Justizminister Buschmann, Verteidigungsministerin Lambrecht, Landwirtschaftsminister Özdemir, Familienministerin Lisa Paus und Umweltministerin Steffi Lemke.
Die ausgeübten Berufe oder selbständigen Tätigkeiten haben meist aber gar nichts zu tun mit dem nun ausgeübten Ressort. Nicht ein einziger Handwerker, richtiger Unternehmer, Ingenieur, Facharbeiter oder Naturwissenschaftler ist in unserer Regierung vorhanden. Berufliche Leistungen sind auf jeden Fall absolut kein Kriterium für irgendein Ministeramt.
Ist man dann erst einmal Minister mit Flugrecht im Regierungs-Airbus, mit Panzerkarosse, Bodygards und Chauffeur, muss man seinen Charakter in den Lebensjahren davor schon ziemlich gefestigt haben, um dann nicht arrogant zu werden und abzuheben. Wem gelingt das schon?
Wer Minister wird, muss allein deshalb eloquenter Machtmensch sein, weil er sich auf dem Weg nach oben durch die Intrigen seiner Partei gegen sehr viele und vielleicht objektiv bessere Leute durchgesetzt hat. Machtmenschen halten aber nunmal die eigene Meinung und das eigene Konzept für grundsätzlich am besten und tendieren zur Selbstgefälligkeit.
Na ja, ein ungelernter Minister wird schon von der zweiten Ebene eingearbeitet und zu den richtigen Entscheidungen gebracht, könnte man glauben. Aber das klappt doch nicht: Erstmal besetzt jeder neue Minister seine zweite Ebene weitgehend neu mit bequemen Leuten aus der gemeinsamen Parteikarriere – und wenn mal einer der Untergebenen sich traut, seine Meinung zu sagen oder nur auf einfache Fakten hinzuweisen, die der Boss nicht hören will, kann er seinen Job schnell los sein. Da gibt es viele Beispiele. Zum Beispiel kommt so mancher General, wenn er noch da ist, Montags früh mit geballter Faust in der einen Tasche plus Maßband für die Tage bis zur Pension in der anderen in die Kaserne.
Da wundern wir als Bürger uns dann, welch völlig weltfremde Gesetze entstehen, und vor allem wundern wir uns nicht, warum diese Leute so oft an einem Posten im Politikgeschäft kleben: Woanders als im Politikbereich würde sie einfach niemand mehr einstellen. Kaum einer unserer Minister würde im normalen Leben mit seinem Lebenslauf bei einem Arbeitgeber überhaupt zum Vorstellungsgespräch geladen.
usschlaggebend für die Karriere bis zum Bundesminister ist ausschließlich die Parteikarriere, weder Ausbildung noch Berufspraxis spielen irgendeine Rolle. Zusätzliche Kriterien sind Geschlechterquoten, Parteiproporz und sicher auch persönliche Seilschaften. Wenn unser Land es nicht schafft, sich endlich eine kompetente Führung aus völlig anders veranlagten und wahren Persönlichkeiten zu organisieren, wird es die anstehenden Herausforderungen nicht meistern.
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