Die hohen Anteile für die AfD unter Jungwählern bei den Landtagswahlen lassen wieder einmal die Alarmglocken läuten. Wie kann man dem Rechtsruck der Jugend noch Herr werden? Der Spiegel weiß Antwort: Mit Drohungen und Jobverlust, natürlich!
von David Boos
Der Physiker, politische Kommentator und Investor Eric Weinstein wurde kürzlich im Podcast von Chris Williamson auf die Glaubwürdigkeit von Massenmedien mit offensichtlicher politischer Schlagseite angesprochen, worauf er sinngemäß antwortete: Es geht ihnen nicht darum, Dich zu täuschen, sondern darum, Dich zu instruieren.
Vorbei die Tage, in denen die Glaubwürdigkeit oder Wahrheitstreue von Medien im Vordergrund stand, denn – so Weinstein – man dürfe die Wahrheit, auch wenn sie versteckt ist, durchaus finden. Was diese Medien, wie CNN, die New York Times und die großen Presseagenturen bieten, ist eine Anleitung, wie man seine Arbeit behält und den Familienfrieden wahrt.
Nur wenige Wochen später lieferte der Spiegel ein Paradebeispiel für genau solch einen Prozess. Im Zuge der Berichterstattung über den baden-württembergischen Azubi, der aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Jungen Alternative von einer Anwaltskanzlei gekündigt wurde, suchte der Spiegel ein Interview mit dem Arbeitsrechtler Alexander Bredereck und stellte die Frage, die nach den Ergebnissen der AfD unter Jungwählern bei den Landtagswahlen, wohl all diesen Wählern auf den Lippen brennen sollte: “Darf man Azubis kündigen, weil sie bei der Jungen Alternative aktiv sind”? Und weiter: “Viele jungen Menschen wählen die AfD und teilen rechtsextremes Gedankengut. Kann Berufseinsteigern deshalb die Kündigung drohen?”
Wie werd ich meinen AfD-Azubi in 10 Tagen los?
Überschrift und Bild – zwei Mitglieder der Jungen Alternative mit Deutschlandfahnen…ja, schwarz-rot-gold, nicht die anderen – setzen schon mal den Ton, aber das ehemalige Sturmgeschütz der Demokratie hat mittlerweile gelernt, dass taktisches Entschärfen der Wirksamkeit der eigenen Propaganda durchaus zuträglich sein kann. So beginnt das Gespräch zwar mit der direkten Frage, ob eine Kündigung wegen der Mitgliedschaft in der AfD rechtens sei, der Spiegel aber muss seine Leser gleich enttäuschen. Nein, solch eine Kündigung wäre wohl unwirksam, da diskriminierend, denn die AfD gilt bislang nicht als verfassungswidrig und ist auch nicht verboten.
Pech aber auch. Dabei dürfe man, so erinnert der Spiegel, in der Probezeit jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen. Ja, aber da liegt der Hund begraben, denn wer dennoch einen Grund angibt, riskiert, dass dieser Grund dann “eine verbotene Diskriminierung wegen einer bestimmten Weltanschauung” darstellen könnte, so Bredereck.
Aber zumindest beruhigt der Arbeitsrechtler: Bei Kündigung wegen Mitgliedschaft in der Jungen Alternative sieht die Sache schon anders aus, denn diese wurde vom Verfassungsschutz bereits als rechtsextrem eingestuft. Die Argumentation dahinter: “Kann sich jemand, der einer verfassungsfeindlichen Gesinnung anhängt, auf den verfassungsrechtlichen Schutz vor Diskriminierung berufen? Ich argumentiere, dass dieser Schutz eben nicht greift, wenn jemand in einer verfassungsfeindlichen Organisation wie der Jungen Alternative aktiv ist.” Mit anderen Worten: Wer erst einmal als verfassungsfeindlich eingestuft wird, was aufgrund der mangelnden Definition der “freiheitlich demokratischen Grundordnung” noch immer häufig Auslegungssache ist, hat seine Grundrechte verwirkt, ist also arbeitsrechtlich vogelfrei.
Nun aber Butter bei die Fisch: Wie können Betriebe unliebsame Jungwähler loswerden? Gilt dieses “Verwirken” des Diskriminierungsschutzes auch außerhalb der Probezeit? Nicht zwingend, aber denkbar, so Bredereck. Dafür braucht es einen “wichtigen Grund”. Der Spiegel nimmt die Vorlage dankbar an und hakt nach: Was könnte als wichtiger Grund gelten? Das Verbreiten rechtsextremer Inhalte könnte für eine fristlose Kündigung genügen. Gewiss, es geht hier ja nur um die Gefahr von Rechts, aber eine Einordnung, ob linksextreme, oder z.B. islamistische Inhalte ebenso gehandhabt würden, wäre dem Informationsgehalt nicht abträglich gewesen, fehlt aber leider in dem Gespräch.
Aber auch das reicht dem Spiegel noch immer nicht: Wann wird die politische Ansicht – also nicht die Mitgliedschaft in einer als rechtsextrem eingestuften Partei – für Auszubildende noch zum Problem? “Wenn der Betriebsfrieden gestört wird und Konflikte entstehen, etwa, weil ein Azubi wiederholt versucht, seine Kollegen politisch zu beeinflussen oder aufzuhetzen,” so Bredereck. Falls sich da die 90% mit links-grün sympathisierenden Praktikanten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk angesprochen fühlen, keine Sorge, denn Bredereck gibt Entwarnung: “Eine Rolle spielt außerdem, inwieweit die Mitgliedschaft oder das Engagement mit der Aufgabe des Arbeitnehmers kollidiert. Ich denke da etwa an eine Anstellung bei einem Flüchtlingswerk. Und wer für die Grünen arbeitet und seinen Job behalten möchte, sollte nicht gleichzeitig für die AfD tätig sein.” Ja, wer kennt sie nicht, die Kohorten von Jung-AfDlern, die die Grünen unterwandern. Aber immerhin darf man nach dieser Logik wohl davon ausgehen, dass Gleiches auch andersrum gelten sollte. Sollte…
Die rechtliche Nachschärfung kommt wohl bald
Das Interview kommt auf die Zielgerade. Leider muss der Spiegel enttäuscht werden, ein Foto mit rechtsextremen Politikern reicht noch nicht für eine Kündigung aus. Aber man darf sich beim Spiegel Hoffnung machen, dass die Justiz schon Pläne schmiedet, um rechtlich ein wenig nachzubessern. Denn im veröffentlichten Kündigungsschreiben der Rechtsanwaltskanzlei, wurde eine Begründung für die Kündigung in der Probezeit angegeben, obwohl dies in der Probezeit nicht nur nicht nötig wäre, sondern sogar – nach jetzigem Rechtsstand – der Rechtmäßigkeit der Kündigung schaden könnte.
Das verleitete Bredereck zu einer durchaus nachvollziehbaren Spekulation: “Sofern das Schreiben authentisch ist, würde ich vermuten: Hier sind erfahrene Fachanwälte für Arbeitsrecht am Werk, die genau wissen, was sie damit provozieren. Es könnte sein, dass sie eine gerichtliche Auseinandersetzung anstreben, da der Fall interessante und ungeklärte Rechtsfragen aufwirft.” Mit anderen Worten: Die Rechtsanwaltskanzlei strebt offensichtlich danach, einen Präzedenzfall anzustreben, um mit richterlicher Unterstützung die Möglichkeiten zur Kündigung von AfD-Unterstützern zu erleichtern.
Eric Weinstein würde verschmitzt schmunzeln. Die Handlungsanleitung für ein ruhiges Leben wurde verlesen und die Botschaft wird bei den Jungwählern angekommen sein. Ob diese sich allerdings von diesen Drohgebärden des Meinungsdiktats unterwerfen lassen, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich werden sie sich mit ihren Meinungen eher in den Untergrund begeben, falls sie es nicht ohnehin schon längst getan haben. Wahrlich ein Ruhmesblatt für das “beste Deutschland aller Zeiten”, wenn Erstwähler, kaum dass sie ihr erstes Kreuz machen durften, schon zur meinungsmäßigen Unperson ernannt werden.
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