Wir leben in einer Scheindemokratie. Das haben die Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg deutlich gezeigt. Doch welche Lehren können wir aus dieser bitteren Erkenntnis ziehen?
von Ekkehard Kaier
Den Wahlen zu den Länderparlamente in Thüringen, Sachsen und Brandenburg kommt eine große bundesdeutsche Bedeutung zu: Erstens verdeutlichten sie das Problem des Zweiparteien-Systems „Altparteien contra AfD“. Zweitens zeigten sie: Die junge Generation wählt inzwischen bürgerlich-rechts. Und drittens brachten sie klar zutage: Die Mehrheit ist gegen den Ukrainekrieg. Viertens steht nunmehr fest, dass sich die Nazi-Keule endgültig abgenutzt hat. Und fünftens, auch das lässt sich folgern: Die Demokratie wird zur Scheindemokratie.
Vor der Erläuterung dieser fünf Punkte nochmals die wichtigsten Daten zur Landtagswahl in Brandenburg vor genau einer Woche: Das endgültige Wahlergebnis erbrachte für die SPD 30,9 Prozent, für die AfD 29,2 Prozent , für das BSW 13,5 Prozent, für die CDU 12,1 Prozent, für die Grünen 4,1 Prozent, für die Linken 3,0 Prozent und für die Freien Wähler 2,6 Prozent. Die AfD erreichte mit 30 von 88 Sitzen eine Sperrminorität im Landtag. Die Wahlbeteiligung nahm um über 10 Prozent auf erfreuliche 72,9 Prozent zu. Der Briefwahlanteil stieg auf den Rekordwert von 32,2 Prozent. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woitke verpasste das Direktmandat gegenüber dem AfD-Kandidaten Steffen Kubitzi; Bei den Urnenwählern wählen 34,8 Prozent die AfD, bei den Briefwählern aber nur 17,5 Prozent.
Von den 44 Wahlkreisen konnte die AfD 25 direkt gewinnen; die SPD siegte in 19 Wahlkreisen. Trotz dieses Verhältnisses 25 zu 19 gewann am Ende die SPD bei den Zweitstimmen und war damit “Wahlsieger” – mit knappen 1,7 Prozent Vorsprung auf die AfD als Zweitplatzierter. Wenn man allerdings bedenkt, daß die AfD ihren Wahlkampf gegen den aktiven Widerstand der Kirchen, gegen einen parteipolitisch von ihren Gegnern instrumentalisierten Verfassungsschutz, gegen den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und gegen zahlreiche überwiegend regierungsabhängige und staatsfinanzierte, grünrote NGOs führen musste: Dann ist dieser zweite Platz für eine Partei, für die sich ein Drittel der Wahlberechtigten entschieden haben, ganz erstaunlich. Ohne die Kampagne wäre das Resultat völlig anders ausgefallen, so viel steht fest.
Brutale Erpressung
Diese Bestandsaufnahme als Ausgangssituation vorausgesetzt, soll nachfolgend auf die einleitenden fünf Erkenntnisse detaillierter eingegangen werden. Zunächst zum faktischen Zweiparteien-System, das Deutschland inzwischen prägt: Für die beiden ehemaligen Volksparteien CDU und SPD ging es im Wahlkampf in Brandenburg weniger um Sachthemen als um die Schwächung der AfD. Nachdem die SPD in dem ostdeutschen Flächenland seit Januar 2024 monatelang etwa um die 10 Prozentpunkte hinter der AfD gelegen hatte, gelang es ihr in den zwei Wochen vor dem Wahltag 22. September 2024 dann erstaunlich geschwind, die AfD ein- und schließlich sogar zu überholen. Dies gelang aber nicht etwa durch eine Änderung der SPD-Politik unter dem Ministerpräsidenten Dietmar Woitke, sondern durch dessen brutale Erpressungsaussage: „Wählt mich oder ich gehe“. Auch die auf diese Drohung hin einsetzende hastige Wahlkampfhilfe durch Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der am 12. September in einer absurden Wahlempfehlung die Bürger in Brandenburg aufrief, sie mögen doch bitte statt der CDU die SPD wählen, weil es “ganz wichtig” sei, dass die SPD in Brandenburg “vor der AfD liegt“, trug zum Resultat bei – auf Kosten der CDU vor Ort.
Mit diesem beispiellosen Akt rief Kretschmer quasi offiziell und de facto ein neues Zweiparteien-System aus: Hier der Block der etablierte Parteien von CDU, SPD bis Linken, da die einzige Oppositionspartei AfD. Allein diese neue “Nationale Front“ der der BRD-Altparteien, die alle inhaltlichen Kontroversen begräbt unter dem gemeinsamen Ziel einer Verhinderung oder wenigstens Kleinhaltung der AfD, beschert letzterer das Gütesiegel der einzigen Oppositionspartei. Ein solcher Aufruf zur Kartellbildung von Parteien – alle gegen einen, Sachthemen spielen keine Rolle mehr – ist schlichtweg demokratiefeindlich. Denn ein demokratischer Streit lebt von der Auseinandersetzung um politische Lösungen. Wenn man die die AfD demokratisch “bekämpfen” wollte, ließe sich dies sehr einfach bewerkstelligen: Nämlich durch Umsetzung einer aus Sicht der Bevölkerung besseren Politik über bessere Parteiprogramme.
Die abtrünnige Jugend
Nun zur zweiten Feststellung, dass die junge Generation – zumindest im Osten – am häufigsten AfD wählt. Wahlergebnis der 16- bis 24-Jährigen in Brandenburg am letzten Sonntag spricht eine eindeutige Sprache: AfD 32 Prozent , SPD 19 Prozent , BSW 12 Prozent und CDU 9 Prozent. Bei den 25- bis 34-Jährigen fiel das Ergebnis nicht viel anders aus: AfD 34 Prozent, SPD 20 Prozent, BSW 12 Prozent und CDU 11 Prozent. Verglichen mit dem oben angeführten Gesamtergebnis der Wahlen zeigt sich hier eine deutliche Überrepräsentierung der AfD. Sogar die “Zeit” musste dazu zähneknirschend einräumen: „Die AfD ist besonders beliebt bei den jungen Wählerinnen und Wählern“. Die Abkehr der jungen Menschen von den etablierten Parteien zeigt sich besonders beim Resultat der Grünen, die auch hier kaum ins Gewicht fielen, obwohl sie es doch waren, die jahrelang für die Absenkung des Wahlalters plädierten, weil sie sich in dieser Altersgruppe den größten Zuspruch erhofften. Falsch gedacht! Wenn Medien und Polit-Eliten nun auf einmal versuchen, die jungen Menschen nicht mehr ernst zu nehmen, sondern als unzureichend informiert, verführt, unaufgeklärt, gefühlsgeleitet, social-media-hörig, ideologisiert oder gar als dumm hinzustellen, bloß weil sie nicht so linksgrün gewählt haben, wie sie sich das wohl erhofft hatten: Dann wird sich der Rechtsruck auch in der nachwachsenden Generation nur weiter verstärken.
Auch lässt sich die Wahl als klares Signal der Bürger gegen Ukrainekrieg sowie Westbindung interpretieren. Die Wahlergebnisse von AfD und BSW senden die Botschaft: Die Ostdeutschen sind mehrheitlich gegen die Ukraineunterstützung „bis zum Sieg“ – und sie sind auch gegen die mit der Westbindung einhergehende Unterordnung der eigenen deutschen unter die amerikanischen Interessen: „Im In- und Ausland ist jetzt offenbar, dass die Deutschen (im Osten und zunehmend auch im Westen) eben nicht kriegs- und eskalationslüstern sind. Damit fehlt der entsprechenden Politik die legitimatorische Basis“, konstatiert die “Berliner Zeitung”. Nach Angaben des “Wall Street Journal” (WSJ) forderte der Ukrainekrieg in den bisherigen gut zweieinhalb Jahren eine Million Tote und Verletzte. Der auch diesbezüglich von den Wählern in Sachsen, Thüringen und Brandenburg mehrheitlich eingeforderte Politikwechsel wird jedoch erst kommen, wenn die CDU gewillt ist, die von der politischen Linken installierte und von ihr bereitwillig übernommene Brandmauer zu negieren und selbst einzureißen. Dies wird noch dauern – und zwar genau so lange, bis entweder die wichtigen gesellschaftlichen Gruppen (Kirchen, Mittelstands-/Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Sozial-NGOs) sowie die Medien diese Mauer ablehnen und als das demokratiezerstörende Instrument brandmarken, das sie in Wahrheit ist (denn die CDU ist eine “Machtmaschine“, die gesellschaftliche Trends zwar gerne aufnimmt, selbst jedoch kaum bereit ist, welche zu setzen). Oder aber bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Union in eine grünen- beziehungsweise linkshörige Merz-Post-Merkel-CDU und eine wiederentdeckte Alt-CDU der rechten Mitte auseinander fallen wird, um dann – so wie etwa in Italien die Democracia Cristiana (DC) – aus der politischen Parteienlandschaft zu verschwinden.
Wir leben in einer Scheindemokratie
Der vierte Aspekt bei der Analyse der Ostwahlen korrespondiert eng mit dem Vorgenannten: Die Nazi-Keule ist in Deutschland endgültig verbraucht, sie wurde gar zu inflationär geschwungen. Im Gegensatz zu “Rechten” – also den Anhängern und Bewahrern der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung (FDGO) – Zielen Rechtsradikale und Rechtsextremisten auf die Zerstörung der FDGO ab. Letztere waren stets und sind weiterhin vom wehrhaften demokratischen Rechtsstaat zu bekämpfen. Doch die AfD fällt nicht unter letztere, sondern und die Verfechter der FDGO! Wäre die AfD eine rechtsextremistische Partei, dann hätte sie das Bundesverfassungsgericht längst und zu Recht verboten. Da dies nicht geschehen kann und wird, müsste man die Partei – ob man sie nun mag oder nicht – endlich gleich behandeln und so mit ihr umgehen wie mit alle anderen demokratischen Parteien auch: Man kann sie unterstützen, kritisieren oder “bekämpfen” im heftigen demokratischen Streit. In Debatten, inhaltlichem Wettbewerb, Überzeugung auf der Sachebene. Doch davon kann leider keine Rede sein: Die AfD wird ausgegrenzt durch vielerlei Instrumente, von der beschriebenen Brandmauer, nackter Gewalt, Wegdrücken in die Nazi-Ecke, Zensur, Desinformation bis hin zu linken Agitprop-Methoden à la Political Correctness, “Cancel-Culture” und Kontaktschuld. Jedoch: Die AfD auszugrenzen beinhaltet immer auch, Millionen ihrer Wähler auszugrenzen. Die Schriftstellerin und Brandenburger Verfassungsrichterin Juli Zeh (SPD) fordert daher, mit der AfD so umzugehen wie mit allen anderen Parteien auch: „Man darf nicht vergessen, dass diese Partei, ob man will oder nicht, ein Drittel der Wähler repräsentiert. Also muss man auch daran denken, welche Botschaft das den Leuten sendet, wenn man immer wieder versucht, der AfD jede Form von Mitwirkung am demokratischen System unmöglich zu machen.“ Leider bleibt diese Außenseitermeinung im Mainstream bislang ungehört.
Kommen wir zur letzten Schlussfolgerung aus der Wahl: Wir leben in einer Scheindemokratie. Die großen Herausforderungen – Beendigung des Ukrainekriegs, Eindämmung der Migration und Verbilligung der Energie – lassen sich nur lösen, wenn man als kritischer Bürger Positionen vertritt, die vom polit-medialen Komplex in letzter Konsequenz als “AfD-nah” bis hin zu “voll Nazi” abgetan werden. Der Trick dabei ist evident: Kritiker – also mündige Bürger, jung wie alt – werden zu Nazis erklärt, um damit jegliche Kritik am politischen Geschehen zu unterbinden beziehungsweise zu blockieren.
Theorie und Praxis
Die Auswirkungen dieses Abblockens jeglicher Gegenmeinungen müssten den Systemvertretern jedoch bewusst sein:
- Die AfD, in deren Parteiprogramm viele Kritiker und Skeptiker der derzeitigen linksgrünen Politik die Lösungen der Großkrise finden, wird weiter an Popularität zunehmen;
- die Greuel der Nazi-Diktatur werden durch die ständig wiederholten Nazi-Keulen immer weiter relativiert und verharmlost – zur zynischen Verhöhnung der Millionen von damaligen Opfern und zum Leid derer Angehörigen und Hinterblieben;
- eine offene, freie Diskussion und damit ein – in der Austragung durchaus heftig auszutragender – politischer Streit sind in Deutschland nicht mehr möglich.
All dies dies macht die Opposition handlungsunfähig und lähmt die Demokratie, so dass die FDGO geht an diesem Lähmungszustand irgendwann zugrunde gehen wird: Denn eine Demokratie ohne Opposition ist eine Scheindemokratie. Bei den Wahlen im Osten hat die Mehrheit strikt Nein gesagt zur Fortführung der bisherigen Regierungsarbeit – und damit Ja zu einem Politikwechsel. Doch dieser Wechsel kann eben in der beschriebenen Scheindemokratie nicht mehr stattfinden: Die Brandmauer verhindert die Bildung einer Koalition der politischen Kräfte von Mitte-Rechts. So bleibt am Ende nur das traurige Fazit, dass ausgerechnet die die einzige Staatsform, bei der friedliche Regierungswechsel im System als Normalität verankert sind, in Deutschland im Niedergang ist. Die Demokratie zeichnet sich schließlich gerade dadurch aus, dass in der Opposition immer auch die nächste Regierung auf Abruf wartet. Der Wechsel gehört zum Wesenskern. Das ist die Theorie; doch die Praxis sieht in Deutschland anders aus: Nach die Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind derartige Politikwechsel aufgrund von Brandmauern, AfD-Diffamierung und CDU-Linksorientierung offenbar nicht mehr möglich. Das mehrheitlich rechts-konservativ orientierte Wahlvolk kann an der Urne zwar seine Ablehnung bekunden – aber er erhält als Resultat ein “Weiter so“ und ”Jetzt erst recht”. Dank unserer derzeitigen Scheindemokratie.
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