BASF, der größte Chemiekonzern der Welt, arbeitet in beispielloser Geschwindigkeit daran, seine Zelte in Deutschland abzubauen. Die hohen Energiepreise und ungünstige Standortfaktoren in Deutschland treiben diesen Abbruch voran.
von Jonas Aston
BASF ist vielleicht das deutsche Industrieunternehmen schlechthin. 1865 – zu einer Zeit, in der noch nicht einmal das Deutsche Kaiserreich existierte – wurde das Unternehmen in Mannheim gegründet. Inzwischen ist der Sitz des Konzerns in die Nachbarstadt Ludwigshafen gewandert. Für die Stadt, aber auch für die gesamte Rhein-Neckar-Region, ist der Konzern überlebenswichtig. Allein in Ludwigshafen sind knapp 40.000 Arbeitnehmer bei BASF beschäftigt.
BASF ist der mit Abstand größte Chemiekonzern der Welt. Doch schon lange trüben sich die Perspektiven für das Unternehmen – in Deutschland. Vor allem die absurd hohen Energiepreise bringen den Konzern in massive Bedrängnis. Der Chemiegigant ist der größte industrielle Gasverbraucher in Deutschland und ist daher besonders stark von den steigenden Energiekosten betroffen. Allein am Standort Ludwigshafen verbraucht der Konzern eine Menge an Gas, die dem Gesamtverbrauch der Schweiz entspricht.
Die denkbar schlechten Standortfaktoren in Deutschland machen sich auch längst in den Bilanzen des Konzerns bemerkbar. Erzielte man 2022 noch einen Umsatz von 87,3 Milliarden Euro, sank dieser nur ein Jahr später um 20 Milliarden. 2023 setzte BASF nur noch 68,9 Milliarden Euro um. Doch die Zeichen stehen weiter auf Schrumpfung. Im 2. Quartal 2024 erzielte BASF nur einen Umsatz von 16,1 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ging der Umsatz damit um rund 1,2 Milliarden Euro zurück.
Aufgrund der fatalen Entwicklung des Unternehmens kündigte der langjährige Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller auf der Jahrespressekonferenz im Februar einschneidende Veränderungen an. Am 23. Februar gab man bekannt, die Ammoniak-, Methanol- und Melaminanlagen am Stammwerk zu veräußern. Die neuen Eigentümer aus den USA denken jedoch gar nicht daran, die Anlagen in Deutschland weiterzubetreiben. Stattdessen sollen sie abgebaut und im Ausland wieder errichtet werden.
Wenn man dem Ex-Vorstandsmitglied Brudermüller glauben darf, ist dies auch folgerichtig. Er erklärte: „Wir machen überall in der Welt Gewinne, außer in Deutschland“. Entsprechend macht sich der Konzern nun daran, seine Zelte in Deutschland abzubauen. Im August kündigte BASF die Schließung zweier weiterer Anlagen in Deutschland an. An den Standorten Köln und Frankfurt wird bis Ende des laufenden Jahres noch eine bestimmte Reihe von Pflanzenschutzmitteln produziert, danach wird die Herstellung eingestellt. In den kommenden zwei Jahren sollen etwa 300 Arbeitsplätze abgebaut werden.
Der eigentliche Hammer folgte jedoch erst jetzt. Brudermüller zufolge ist die wirtschaftliche Situation vor allem am Hauptstandort fatal: „Ludwigshafen macht 1,6 Milliarden Verlust“, so Brudermüller. Wie jetzt bekannt wurde, will BASF nun ein Siebtel all seiner Anlagen am Stammwerk in Ludwigshafen schon bis 2026, spätestens aber 2028, stilllegen. Was dies für die knapp 40.000 Mitarbeiter und die gesamte Rhein-Neckar-Region bedeuten wird, ist schwer abzuschätzen. Wie viele Arbeitsplätze durch diesen Schritt gefährdet sind, ist unklar – vermutlich Tausende.
Das drastische Sparprogramm wurde zunächst einem ausgewählten Kreis von 200 Führungskräften vorgestellt. Die gesamte Belegschaft wird im Laufe des Tages darüber informiert. Das Ziel besteht darin, bis 2026 zusätzlich eine Milliarde Euro einzusparen. Dabei sollen alle Anlagen und Prozesse einer intensiven Prüfung auf Effizienz und Zukunftsfähigkeit unterzogen werden. Der Standort Ludwigshafen trug zuletzt nur noch vier Prozent zum Gesamtergebnis des Konzerns bei, während die Auslastung der Produktionsanlagen dort lediglich bei 61 Prozent lag.
Die Zukunft sieht man in den Chefetagen von BASF heute nicht mehr in Deutschland. Stattdessen tätigt der Konzern Großinvestitionen in Fernost, insbesondere in China. BASF investiert zehn Milliarden Euro in den Bau eines neuen Mega-Werks im Süden Chinas. Auf einer vor der Küste gelegenen Insel in Zhanjiang entsteht eine Fabrik für chemische Grundstoffe, die später in zahlreichen Konsumgütern Verwendung finden werden. Die Fertigstellung des riesigen Werks ist für das Jahr 2030 geplant. An Arbeitskräften dürfte es in der Region zumindest nicht mangeln. Die Arbeitslosigkeit gerade unter den Jungen ist groß.
Brudermüller zufolge sollte BASF sowohl an dem Sparkurs in Deutschland als auch an der Asienstrategie festhalten, wenn der Konzern eine Zukunft haben will. Bei der letzten Hauptversammlung im April bezeichnete er die wirtschaftliche Situation der Chemiebranche als „stürmisch“ und betonte die Bedeutung von Investitionen in Ländern wie China, um die Marktchancen zu erhöhen und im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. Solange Deutschland Konzernen wie BASF nicht endlich wieder attraktive Standortfaktoren bietet, stehen die Zeichen hierzulande auf Abbruch.
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