Manuel Ostermann von der Bundespolizeigewerkschaft bemängelt, dass die Bundesregierung bei den Grenzkontrollen nicht konsequent nationales Recht anwendet. Inwiefern die Kontrollen überhaupt stattfinden ist derweil unklar.
von Henry Albrecht
Es ist neblig an der deutsch-tschechischen Grenze im sächsischen Oberwiesenthal. Einige wenige Autos fahren auf der Verbindungsstraße entlang der Felder. Von Beamten der Bundespolizei oder gar Grenzkontrollen ist weit und breit nichts zu sehen. Es sind Videos wie dieses, die in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien herumgehen. Zu sehen ist vor allem, dass wir nichts sehen.
Dabei war die Ankündigung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser gewaltig: Flächendeckende Grenzkontrollen sollten seit Montag stattfinden, um die illegale Migration zu reduzieren. Schon vor dem Start der Kontrollen gab es einen erheblichen Dämpfer. Denn an den Grenzen sollte zwar kontrolliert, aber nicht konsequent zurückgewiesen werden. Die große Migrationswende war das also ohnehin nicht, aber immerhin ein Schritt, gerade für diese Regierung ein großer – dachte man.
Die Bundesregierung erklärte, dass mit den neuen Maßnahmen an allen deutschen Landgrenzen „das gesamte Bündel an stationären und mobilen grenzpolizeilichen Maßnahmen, einschließlich der Möglichkeit von Zurückweisungen“ – und zwar nach „Maßgabe des europäischen und nationalen Rechts“ bestehe. Begründet wird die Maßnahme mit dem „Schutz der inneren Sicherheit“ und der „Gesamtbelastung Deutschlands“ – „insbesondere die begrenzten Kapazitäten der Kommunen bei Unterbringung, Bildung und Integration“. Dazu will Faeser „akute Gefahren durch den islamistischen Terror“ und die „grenzüberschreitende Kriminalität“ reduzieren. Doch die Wahrheit ist: Zum jetzigen Stand weiß man nicht, ob überhaupt etwas Substanzielles passiert ist. Lediglich die bisher schon stattfindenden lückenhaften Kontrollen u.a. nach Österreich wurden auch auf die Niederlande, Frankreich & Co. ausgeweitet. Das wäre aber bestenfalls marginal.
Die Redaktion sprach mit Manuel Ostermann, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der DPolG Bundespolizeigewerkschaft. Ostermann erklärt: „Die Bundesregierung macht es sich hier relativ simpel, wenngleich die Notifizierung absolut zu begrüßen ist.“ „Die Bundesregierung hat nämlich nie gesagt, dass wir flächendeckend kontrollieren. Sie hat nur gesagt, dass wir notifizieren. Also die Bundespolizei zur Grenzbehörde machen.“
Dagegen sei erstmal nichts einzuwenden, „aber wenn wir nationales Recht haben, sollten wir das auch vollumfänglich nutzen, indem wir Artikel 16a des Grundgesetzes und das Asylgesetz zur Maßgabe machen“. Denn an einer Binnengrenze, wie Deutschland sie hat, „kann überhaupt keiner einen Asylantrag stellen. Der Antrag ist offenkundig unzulässig. Es soll also heißen, dass wir alle zurückweisen müssen.“ Doch genau das mache die Bundesregierung nicht.
Stattdessen wolle man die Bundespolizei mit den Dublin-Fällen beauftragen. Demnach müsste die Bundespolizei eine illegal eingereiste Person feststellen, und sollte diese schon in einem anderen europäischen Land registriert sein, über einen Haftrichter in Abschiebehaft befördern. Von dort aus sollte die Dublin-Überstellung an den jeweiligen Mitgliedstaat erfolgen. Laut Ostermann habe man jedoch für dieses Vorgehen „kein Personal“. Des Weiteren gibt es in Deutschland lediglich 400 nutzbare Abschiebehaftplätze, jedoch allein im vergangenen Jahr knapp 50.000 Dublin-Fälle. Hinzu kommt der Umstand, dass „über jede Abschiebehaft ein Richter entscheiden“ muss. Doch auch dafür haben wir nicht genug Richter. Ostermann erklärte weiter, dass man diesen ganzen Stress sparen könnte, „wenn die Bundesregierung sich dazu entschließt, nationales Recht auch vollumfänglich um- und durchzusetzen“.
Ausflüchte beim Innenministerium
Doch die Flüchtlingskrise ist weitaus mehr als nur ein deutsches Problem. „Schengen ist offenkundig längst gescheitert“, so Ostermann. Denn die Schengenvertragspartner machen ganz offensichtlich ihre Hausaufgaben nicht. Laut Ostermann interessiert sich keiner der Partner für die Umsetzung. Nationaler Egoismus und moralische Überheblichkeit gegenüber Deutschland bestimmen die Realität. Wäre dieser Fakt ein anderer, würde überhaupt kein Migrant nach Deutschland kommen, um an der deutschen Grenze einen Antrag auf Asyl zu stellen.
Anonymous News fragte beim Bundesinnenministerium nach einer Stellungnahme bezüglich der aktuellen Situation. Auf die Fragen nach generellen Kontrollen an jedem Grenzübergang und dem Ablauf dieser Kontrollen verwies das Bundesinnenministerium lediglich auf eine Pressemitteilung. In dieser heißt es, dass die Bundespolizei die Grenzkontrollen lediglich „flexibel und je nach den aktuellen Sicherheitserfordernissen vornehmen“ wird. Dann der entscheidende Punkt: „Es erfolgen also keine flächendeckenden, sondern gezielte Kontrollen, um grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen und die irreguläre Migration weiter zu begrenzen.“ Die Umsetzung der Grenzkontrollen sieht also faktisch anders aus, als es zunächst öffentlich präsentiert wurde.
Der Frage nach der aktuellen Besetzung der Bundespolizei wich das BMI aus. Zwar erklärte man, dass die Bundespolizei „ihre Aufgaben vollumfänglich erfüllen“ könne. Doch es würde „aufgrund der integrativen und flexiblen Aufgabenwahrnehmung“ keine „zweckgebundene“ Zuteilung von Personal „nur für einzelne Aufgabenbereiche“ erfolgen. Zu den „konkreten Einsatzstärken“ könne man sich aufgrund von „einsatztaktischen Erwägungen nicht äußern“. Allerdings könne man erklären, dass man plane, für das Jahr 2025 für „die Bundespolizei 1.000 zusätzliche Stellen zu schaffen.“
Die Grenzkontrollen sollten Faesers große Wende werden. Durch diese Kontrollen wollte man das Image der Bundesregierung aufpolieren, das Wachstum der AfD bekämpfen und islamistische Attentate wie in Solingen oder Mannheim verhindern. Doch in der Realität sind Faesers Kontrollen vor allem eines: mehr Schein als Sein.
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